[vc_row][vc_column width=“1/1″][vc_column_text]Feier zum Reformationsgedenken in Bergneustadt am 29.10.2016 in der Versöhnerkirche
JAN HUS, der tschechische Reformator – ein Vortrag (hier auch als Download) von:
Liebe Schwester und Brüder, sehr geehrte Damen und Herren.
Zuerst möchte ich mich herzlich für die Gelegenheit bedanken, hier unter Euch ein paar Gedanken zu unserem Thema zum Ausdruck zu bringen zu dürfen.
Jan Hus und die tschechische Reformation – dazu singen wir heute einige Hus und Commenius Lieder und die tschechische Messe D-Dur von Antonin Dvořák mit dem Fokus auf das Evangelium über Sinn und Ziel unseres Glaubens und Lebens.
Und weil dies für uns so wichtig ist, können, ja müssen wir ab und zu über wichtige Themen und Persönlichkeiten reden und nachdenken: Zum Phänomen JAN HUS haben wir hier und jetzt eine gute Gelegenheit:
Im Jahre 2015 feierten wir das 600-ste Jubiläum von Jan Hus, im Jahre 2017 feiern Sie 500-ste Jubiläum von Martin Luther.
Das heißt, etwa 100 Jahre vor der deutschen Reformation lebte, lehrte, predigte, schrieb, kämpfte und starb Jan Hus.
Der brüderliche Theologe Lukas von Prag schrieb: Gott hat in Böhmen sein Werk angefangen…(Buoh začal v Čiechach dielo sve konati!). Dieses Vorrecht hat auch eine Verpflichtung.
Wir sind aus Prag hierhergekommen um in Deutschland zu singen und ich möchte daher nun einige Punkte aufzeigen, die Jan Hus mit Martin Luther und der deutschen Reformation verbinden:
Es war die Lutherdisputation in Leipzig, später in Heidelberg – mit der Anschuldigung der damaligen Kirche: „Sie sind ein Hussit (gleichgesetzt mit Ketzer, als Beschimpfung gemeint).
Luther versuchte sich zu wehren… doch bei der Disputation während der Mittagspause, zog er das Buch von Hus „De Ecclesia“ aus dem Bücheregal… durchblätterte es… und als er zurückkehrte in den Saal sagte er: „JAWOHL, Sie haben recht. Ich bin ein Hussit,…“ („wir alle sind Hussiten“ –schrieb er dann im Jahr 1520).
Freilich, wir kennen Luther – er musste nicht lange die richtige Worte suchen, er sprach sehr direkt und frei… auch nach dem besagten Mittagsessen, vielleicht auch ein bisschen durch das Bier gestärkt, hat er etwas Wichtiges zum Ausdruck gebracht: Wir Christen sind alle im bestimmten Sinne des Wortes – Hussiten – sogar der Apostel Paulus und der Kirchenlehrer Augustin vertreten dieselbe Lehre: Solange wir das in der Schrift offenbarte Wort Gottes ehrlich wahrnehmen, gehören wir in die gleiche reformatorische Gesellschaft!
Später wurde mährische Philosoph Johann Amos Comenius in Holland mit der Frage angegriffen: Sind Sie ein Lutheraner oder Calvinist? Comenius geriet damals in eine heikle Situation, in die Spannungen zwischen Luther- und Calvinanhängern, zwischen denen sogar Krieg geführt wurde!
Comenius hat auf diese Frage sehr weise und zugleich schlau geantwortet: „Ich bin ein Hussit“, denn niemand dort wusste wer Hus war, und doch hatte die Antwort einen hohen Wert.
Im welchem Sinne sind wir heute alle Hussiten? Was für eine Bedeutung hat heute das Hus-Zeugnis für die tschechische, deutsche, europäische Reformation und für unser Glaubensfundament? Was ist überhaupt das christliche an Europa heute? Unser Innenminister (Milan Chovanec) sagte: „Wir sind ein christliches Land, wir empfangen aus Syrien nur die Christen!“ – Warum nur die Christen – denn wir bezeugen doch, dass Jesus Christus für alle gestorben ist und er allen Menschen sein Heil angeboten hat?
Lasst uns nun einige Punkte aus der Hus Theologie zusammenfassen:
- Unser Welt ist eine Schöpfung Gottes, nicht von allein oder zufällig entstanden.
- Die geschaffene Ordnung zeigt uns die Mission, Ziel, Sinn unseres Lebens… und die Aufgabe für unsere Arbeit.
- Wir glauben an einen persönlichen Gott, unser Heiland Jesus Christus und an das Wirken des Heiligen Geistes innerhalb dieser Schöpfung.
- Wir Menschen sind vor Gott als einzelne Wesen verantwortlich – homo coram deo.
Und erst dann kommen in darunterliegenden Stufen die Gesellschaft, die Kirche!, die Vatikanversammlungen, der Papst, der König, und andere „menschliche Gesetze“ oder spekulative Bibelauslegungen… „die menschlichen Empfindungen“
- Wir alle sind die Zuhörer der Worte Gottes, die wir richtig verstehen sollen: was sagen sie über GOTT, was alles für unseren Glauben, was bedeuten sie für unser Heil und unser Leben?
- Für Huss wurde diese Orientierung in seiner Zeit eine schwere Aufgabe: Schwer für den Christen in der mittelalterlichen Institution Kirche, die mit zwei, dann drei Päpste einen riesigen Skandal verursachte. Die sichtbare Kirche war nicht mehr auf den Spuren Jesu, sondern herrschte als zweiköpfiges Tier – und Hus wurde ihr Opfer.
- Hus hat verstanden, dass wir in diese Welt berufen sind, um die menschliche und christliche Aufgabe mit der Verantwortung zu Ehre Gottes für die nächsten Generationen zu erfüllen.
- HUS beurteilte alles gegenüber Gott und der Wahrheit.
- Sein Erbe steht in Prag bis heute auf der Präsidentenflagge: Veritas vincit, richtiger Weise müsste es heißen: Veritas domini vincit.
Und diese Aufschrift bewegt gerade in diesen Tagen unsere Gesellschaft, im Vergleich mit den Äußerungen unserer Regierung und des Präsidenten auf der Prager Burg.
- Der dynamische Charakter der Wahrheit, die sich in der Geschichte schrittweise offenbart, stellt bestimmte Grenzen als Recht gegen Machtgier und Gewalt dar.
Das offenbarte Wort stand für Hus höher als der König, Bischof, Papst, die Institutionen der Kirche, die Macht der Soldaten.
Und in einem solchen Kontext zu leben und zu arbeiten war nicht leicht. Dies war und ist ständiger Kampf und Anspannung. Diese bringen uns keine Ruhe: weil keine Tat „neutral“ ist entweder sind wir Nachfolger Jesu oder des Teufels.
Aber, wir wissen es, das Leben ist kompliziert. Auch Jan Hus wurde ständig zu Kompromissen gezwungen, z.B. verschiedene Freundschaften zu nutzen oder zu missbrauchen – und diese sogar im Namen der Kirche oder im Namen Gottes…. Er war auch versucht, sich auf die allgemeine Gesellschaftsmeinung der Zeit zu verlassen, die Macht der Politik, des Geldes, Neigungen oder Abneigungen des Volkes.
Aber Hus hat gewählt, sich völlig auf die Gnade Gottes zu verlassen, weil alle die anderen genannten Mächte und Gruppierungen oder einzelne Freunde oder Kirchenbeauftragte unzuverlässig waren!
Seinen Glauben an das Wort Gottes hat Hus dadurch bewiesen, als er sich in schlimmsten Situationen während des Kirchenstreits auf Jesus Christus berief. Freilich, dadurch provozierte er und ärgerte die Kardinale, weil für ihn auf einmal alle Kirchenjuristen nicht zu gebrauchen waren…
Auf der anderer Seite: Jan Hus war auch ein Mensch mit verschiedenen Schwächen und Versuchungen – und deswegen ist für uns wichtig und interessant, dass er bereit war auch seine Neigungen und Versuchungen zu offenbaren:
- z.B. als er als Knabe ein sehr armes oft hungriges „Schülerchen“ war, wünschte er wie die meisten anderen auch, einmal „einen guten Beruf zu bekommen“.
- Als Knabe hatte er auch die Vigilie gesungen, – aber schnell,- um bald fertig zu sein und wieder raus aus der Kirche zu kommen und in den Straßen herumlaufen zu können, zu spielen, zu essen, etwas zu trinken, Spaß zu haben, z.B. was er sehr liebte, Schach oder Würfel zu spielen.
In seiner Ausbildungszeit und als Erwachsener wollte er dann doch etwas Höheres erreichen – zuerst einmal durch die Universitätsausbildung das Recht, das „lange Gewand“ zu tragen (auch ein Kindheitswunsch!), anstatt des „schulischen Mäntelchen“ um mit dem Doktorgewand, später mit dem Priestergewand auf der Kanzel von den einfachen Menschen Hochachtung zu erfahren…
Mit den Jahren hat er viel gelernt. Er fand seine Vorbilder unter den gebildeten Menschen – z.B. beim John Wyclif aus Oxford. Er hat als Student dessen Bücher eifrig studiert! Über Wyclif sprach er vom „Doctor evangelicus“ – aber auch mit dem Wortspiel: Wyclif, Wiclif, du wirst mich leicht (winklen) ins Wanken bringen (zvikleš).
Durch das ehrliche Studium in all den Jahren, ist sein Verständnis gewachsen, hat er seine Berufung besser und konkreter verstanden: -als Mann, Lehrer, Dekan und Rektor der Karls-Universität. Damit war aber immer öfter ein großes Risiko verbunden:
- da riskiert er gerade das so gewünschte Gewand, das Einkommen, seine Universitätsstellung, angebotene Bequemlichkeit, gewonnene Reputation, das Essen in einer guten Kneipe, oft auch die Gesundheit… und zum Schluss die Freiheit, Heimat, Freunde und sein eigenes Leben.
Als Mensch genoss er auch die Schönheit der platonischen Beziehung mit einer Frau – der intelligenten, tschechischen Königin aus dem Hause der Přemysliden. An sie erinnerte er sich noch im Gefängnis in Konstanz…
Damit war aber auch besonders das Risiko verknüpft, dass er nicht imstande war, seine Theologie, seinen Glauben, seine Schriften und Predigten den anderen zu erklären.
- Die Angst, dass er die Wahrheit des Evangeliums nicht vor der Öffentlichkeit verteidigen könne, gegen die vielen verschieden, schlauen oder aber wohl dummen Anklagen und Nachreden, Hass und Machtgier der Kollegen (auch besonders Prof. Paleč, der ihn schließlich verriet).
- Gerade in solchen Momenten hören wir sein Zeugnis:
Freund Paleč, Freundin Wahrheit – aber die größere Freundin ist die Wahrheit!
Aber kommen wir nun zum wichtigsten zurück:
Im Jahre 1415, wurde der böhmische Reformator Jan Hus als „Ketzer“, in einem wahrhaft sehr unfairen Gerichtsverfahren verurteilt. Er versuchte sich zu wehren, war aber geschwächt durch Krankheiten, die er sich im kalten und feuchten Gefängnis zugezogen hatte, durch Kopf- und Zahnschmerzen, schlechten Schlaf, dunkle Träume, Fieber… -so wurde er schließlich zum Tod in die Flamen geschickt.
Hus blieb Jesus Christus treu, treu den Prinzipien Sola-Scriptura und solus Christus. Die Kirche hat ihn damals gerade deswegen dem Tod preisgegeben und dadurch das Evangelium verleugnet.
Erst in den letzten Jahren änderte die kath. Kirche ihre Einstellung und es folgte vom Vatikan die Bitte um Entschuldigung zum Fall Jan Hus in Konstanz… (nehmen wir das heute Abend besonders auf, denn wir befinden uns in der Versöhnerkirche!)
In unserer Zeit wird in Tschechien und auch in Deutschland Jan Hus neben Martin Luther und Johannes Calvin zu den bedeutendsten Persönlichkeiten der Reformationszeit gezählt:
„Reformation startet mit Hus als ein breites Geschehen, eine Erneuerungsbewegung, die von vielen getragen wurde und schon im 15. Jahrhundert begann“, dies betonte die
EKD-Botschafterin Margot Käßmann während der Gedenkfeiern in Prag.
Sie sagte: Deshalb werde es im Jahr 2017 auch „keinen deutschen Lutherkult geben, sondern ein internationales Reformationsjubiläum“. Reformation wurde „als Prozess erkennbar, der lange vor Luther und seinen Mitstreitern begann und bis heute fortdauert“.
Jan Hus und Martin Luther, beide haben in ihrer jeweiligen Landessprache gepredigt: das „war ein entscheidender reformatorischer Impuls“.
Es ging den beiden um gewachsenen Glauben.
Damals wie heute geht es um Korruption und Ablasshandel.
Beiden ging es um Christus allein – als die höchste religiöse Autorität –um die Berufung zum Christus, was alle Kirchenjuristen so überraschte und irremachte – bis heute. Sogar die katholische Kirchenjuristen sagen heute nach der jüngsten Hus-Forschungen und Untersuchungen: Wir konnten vielleicht was tun, aber mit Jesus Christus im Himmel als dem einzigen Verteidiger von Hus beim Konzil??? Er hatte damals in den letzten Jahren fast alle mächtigen Freunde verloren. An wen sollte er sich wenden?
Beide, Jan Hus wie auch Martin Luther betrachteten die Bibel als geschärftes Gewissen des Einzelnen.
Das Evangelium war für beide das Leitwort für Privat-, Kirchen- und Gesellschaftsleben.
In Jesus Christus ist Gott auf die Erde gekommen, incarnatus est, crucifixus…mischte sich unter uns Menschen, er gab sein Leben für die menschliche Geschichte, Kultur und trotz politischer und religiöser Intrigen und Traditionen. Er erniedrigte sich so, dass viele in ihm nicht den Gott im Menschenleibe erkannten, sondern ihn zum Tod verurteilten – genauso wie es dann 1415 Hus erging – und zwar in der Kirche mit der Bibel in der Hand und mit dem Kreuz um den Hals…
Hus selbst zeigte Humor als er sagte, dass er als Gans (tschechisch = husa) gebraten wird.
Nur in der Nachfolge Jesu konnte Hus Orientierung finden und behalten, die Verankerung, die Kraft durchzuhalten um alle Versuchungen durch manchen Kollegen nahegebracht, natürliche, menschliche Gedanken und Gefühle, ja Hoffnungen, -mit Jesu Wort allein zu vergleichen.
Außer Christus ist kein Gott, doch: in contraria specie, immer anders, als wir erwarten, planen und uns wünschen… -oft als sehr unangenehme Herausforderungen, die uns selbst nie einfallen würden. Und das sind die hohen, wichtigen, protestantischen Überzeugungen, die bei Hus so stark geprägt wurde, und die wir auch heute so hoch halten.
- Außer bei Luther hat er in der Reformation kein großes Echo gefunden, nicht beim Zwingli und nicht bei Calvin.
- Der Philosoph Voltaire sagte über Jan Hus er sei ein „religiöser Fanatiker…“
- Die Kommunisten haben ihn als Revolutionär und Nationalist entdeckt und hervorgehoben.
Aber heute können wir wieder über die wesentlichen Grundsätze von Jan Hus nachdenken:
- Wir sind von Gott berufen, dem Reich Gottes zu dienen.
- In unserem Leben, den täglichen Aufgaben auf dieser Erde, unter den Menschen, in unsrer Kultur, Arbeit, Familien, Kirchen und den Gemeinden, sollen wir die Wahrheit Gottes bezeugen.
- Und dazu können wir uns das wünschen, was Hus immer zum Schluss seiner Reden und Schriften hinzufügte:
Amen, tak bóh daj (Amen, so gebe Gott)
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